Samstag, 28. Juni 2008
| Strecke |
Anders als die letzten Tage koche ich mir heute früh meinen Kaffee selbst. Ein halbes Stündchen der Ruhe im gleißenden Morgenlicht, bevor mich der Asphalt wieder hat. Ein Blick auf die Landkarte: im Zickzack führt meine Route nach Nordost. Beim Verlassen des Zeltplatzes werde ich nach dem Woher und dem Wohin gefragt und erfahre, dass ab heute nicht mehr der Wind des Rhônetals die Regie fürt wie in den beiden vergangenen Tagen. Ich höre es gerne.
Zunächst geht es hoch auf den Col Accarias. Mein Rad meistert den Aufstieg von alleine, meine Beine passen sich lediglich dem Rhythmus der Kurbeln an. Ringsum die gezackte Silhouetten der Berge im Morgendunst. Jeder Meter ist reines Vergnügen. Die Abfahrt bis zur Brücke über den Drac, wo Interessierte einen Bungee-Sprung ins Nichts buchen können. Irgendwo unterhalb liegt der Fluss, aber wenn alles gut geht, kommt man vorher schon zum Halten. Nichts für Feiglinge wie mich. Dann schon lieber den Gegenanstieg hoch nach La Mure, auch wenn am Ende zwei harte Kilometer entlang der stark frequentierten Nationalstraße 85 zu bestehen sind. Die Adrenalinausschüttung währenddessen reicht mir vollkommen. Man ist ja schließlich auch nicht mehr der Jüngste...
Dann wird es wieder gemütlicher. Von La Mure hinunter nach Valbonnais, und weiter, hinein in den Anstieg zum Col d'Ornon. Rund zwanzig Kilometer Landschaft vom Feinsten. Mohnfelder, Weiden, bewaldete Berghänge. Hier hat der Liebe Gott selbst Hand angelegt, so schön will's einem scheinen. Man vergisst darüber hinaus, dass es bergan geht und fast ist man etwas überrascht, als einen plötzlich ein Schild zum Innehalten zwingt: Col d'Ornon - 1371 m. Nun gut, es ist Mittagszeit, eine Picknick-Bank steht ebenfalls parat - warum nicht die Feste feiern wie sie fallen?
Die Nordauffahrt will mir steiler erscheinen, jedenfalls sitzt man kaum wieder auf dem Rad, stößt man schon auf das Tal der Romanche, unweit von Bourg d'Oisans mit seiner spektakulären Auffahrt nach Alpe d'Huez. Dieser Ort liegt nun nicht auf meinem Weg, was ich einerseits bedauere, andererseits könnte die Angelegenheit mit all meinem Gepäck doch in eine ziemliche Schinderei ausarten. Ich wähle den Col de Glandon.
Zu meinem Leidwesen ist dieser Col deutlich stärker befahren als die vorhergehenden. Besonders Horden von Motorrädern stören den Frieden öfter als einem lieb ist. Man muss sich damit abfinden, auch wenn's einem mitunter schwer fällt. Der Col de Glandon ist ansonsten ein Filetstück unter den Alpenpässen: 30 Kilometer lang bei 1500 Höhenmetern. Lässt man den Stausee im Tal hinter sich, folgt die Straße einem Gebirgsbach. Bewaldete Hänge ringsum nehmen der Mittagshitze ihren Schrecken. Ich spüre, dass ich mir auf dem Col d'Ornons gut und gern noch ein Brötchen mehr hätte reinschieben können. Aber der Abhang ist zu beiden Seiten so steil, dass es keinen Platz zum Rasten gibt, wo man sicher sein kann, dass einem die Motorräder nicht über den Camembert fahren. Nach und nach nehme ich dann aber Fahrt auf, und die Frage nach einer Rast stellt sich fürs Erste nicht mehr. Bei Rivier d'Allemond schwinge ich mich in eine serpentinenreiche Abfahrt und werfe mich in den ungeliebten Gegenanstieg. Etliche Kilometer danach folgt eine weitere Abfahrt in ein grünes Hochtal samt Stausee, dann liegt die Passhöhe vor meinen Augen. Vielleicht tausend Kurbelschwünge noch und die Sache ist erledigt. Col de Glandon - altitude 1924 m steht auf dem Schild.
Oben mache ich die Bekanntschaft mit sechs Kemptnern, die mit Begleitfahrzeug durch die Alpen fahren. Sie sind so nett, mein Gepäck in ihrem Bus zu lagern, was mir Gelegenheit gibt, mit ihnen noch die zweieinhalb Kilometer auf den Col de la Croix de Fer zu fahren, kein großes Ding, aber wenn man schon mal hier ist... Wegen der spektakulären Aussicht lohnt es sich allemal.
Die Kemptener begeben sich wieder auf ihren Weg weiter nach Süden, ich packe nun endlich meinen Proviant aus und mache, was ich auf Gipfeln am liebsten mache: vespern. Ich beneide die Kollegen ein bisschen, so ganz unbeschwert über die Pässe flitzen zu können und schmiede bereits Pläne, wie ich beim nächsten Vorstoß in die Alpen meine Last reduzieren kann, ohne aufs Zelten verzichten zu müssen.
Zweiundzwanzig Kilometer später und fünfzehnhundert Meter tiefer finde ich in St. Avre bei La Chambre einen einladenden Zeltplatz. Noch ist früher Abend, aber einmal muss Schluss sein mit der Raserei. Ich schwimme ein paar Runden im Schwimmbecken und fühle mich fit und rundum zufrieden. Pasta und Rotwein tun ein Übriges. Was will man mehr...
Strecke: |
133 km |
Zeit: |
7:04 h |
Schnitt: |
18,8 km/h |
Höhendifferenz: |
2840 m |