Sonntag, 11. September 2005
Der Bahnhof von Narbonne bleibt an diesem spätsommerlichen Sonntagmorgen sich selbst überlassen. Seine Pflicht ist getan, die Sommertouristen zu empfangen und wieder nach Hause zu verabschieden. Eine Handvoll Fahrgäste steigen aus dem Zug und sind bereits verschwunden, noch ehe wir unsere Räder zusammengebaut und die Gepäcktaschen an die Gefährte geschnallt haben. Narbonne, 40 000 Einwohner, Schmelztiegel am Mittelmeer, Zentrum des Weinhandels, einst Hauptstadt der römischen Provinz Gallia Narbonensis: für uns ist die Stadt Ausgangspunkt, nicht Ziel. Unser Ziel liegt jenseits der Pyrenäen,800 Kilometer weit im Westen, an der Atlantikküste: Biarritz, Stadt der Schönen und Reichen, als der Jetset noch nicht erfunden war. Das Mittelmeer? Ein andermal. Zu sehr locken uns die kühle Morgenluft und die menschenleeren Straßen, die sanften Erhebungen der Corbières, die nur ein Vorspiel dessen sind, was die Pyrenäen auf dem Weg zum Atlantik noch zu bieten haben.
Ach ja, es gibt auch noch andere Verlockungen: frische Croissants, Baguettes und Milchkaffee. Und die Septembersonne, die uns nach dem kühlen und verregneten August in Deutschland den Pelz wärmt. Ein feiner Start.
Nach acht Kilometern biegen wir ab auf die D 613, in diesem Jahr die Einfallstraße der Heroen der Tour de France zum abschließenden Showdown im Hochgebirge. Für uns ist sie eine Nebenstraße mit wenig Verkehr. Welliges, leicht ansteigendes Terrain, Weinberge, lichte Wälder - ideal zum Einrollen. Ein erstes landschaftliches Highlight ist die D 212 durch die Gorges d'Orbieu. Mittagessen auf dem Col du Paradis, mit 622 m nicht wirklich hoch, aber allein schon der Name verpflichtet fast zur Rast...
Für kurze Zeit rollen wir im Tal der Aude, die nicht nur dem Departement, sondern auch dem schlichten Landwein dieser Gegend den Namen gegeben hat. Dieses Tal ist Ausgangspunkt für den ersten wirklichen Anstieg dieses Tages: nordwestlich an Quillan vorbei geht es stetig bergauf, bis hoch zum Col de Coudons auf 883 m. Hier erinnert nichts mehr an das hektische Treiben der Mittelmeerküste. Der Blick gibt den ersten wirklichen Eindruck von der Schönheit dieser Gegend. Auf dem Plateau de Sault verabschieden wir uns von unseren Freunden Axel und Jutta, die wir mehr oder weniger zufällig im Nachtzug getroffen hatten. Sie wollen auf der Ostseite der Pyrenäen bleiben, während es uns weiter Richtung Westen zieht. 120 schöne, gemeinsam gefahrene Kilometer liegen hinter uns. A bientôt, les amis!
Zu zweit fahren wir weiter in den kühlen Abend hinein, der Himmel sieht nach Regen aus. Der erste Campingplatz in Espezel ist ausgestorben, der zweite in Roquefeuil existiert nicht mehr. Der dritte Campingplatz, den wir ansteuern, macht all dies wieder wett: er bietet uns einen Gemeinschaftsraum mit offenem Kamin und Brennholz. Belcaire liegt immerhin auf etwa 1000 Metern und die Nächte hier sind im September bereits recht kühl.
Kilometer |
137 |
Fahrzeit |
6:42 h |
Schnitt |
20,4 km/h |
Höhenmeter |
1650 |