Carcès, 15. September 2011, 7 Uhr
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Mal ehrlich: wem geht es nicht so, dass er von Zeit zu Zeit nach der morgendlichen Zeitungslektüre nur zu gern jene Jugendlichen imitieren würde, die ihren Kapuzenpulli tief in die Stirn ziehen und betont depressiv durch die Straßen schlurfen. Sie haben ja so recht: Hungersnöte, Klimawandel, Finanzkrisen, Umweltkatastrophen und Kriege, wo immer nur ein paar Dollars mit Rohstoffen zu verdienen sind. Grund genug, mit Inbrunst alle Todesphantasien, die man seit seiner Adoleszenz pflegt, zu beleben und dem eigenen Ableben wolllüstig entgegenzusehen. Es wäre zu schön - wäre da nicht, von Zeit zu Zeit, die Aussicht auf eine gepflegte Ausfahrt mit dem Rad, wenn man seinem Arbeitsdeputat mal wieder mit eiserner Disziplin ein paar freie Tage abgerungen hat. Das sind die Zeiten, wo man die Zeitung beiseite legt, noch bevor man beim Wirtschaftsteil angelangt ist, und statt dessen im Internet eine jener Seiten aufruft, die die Aussicht aufs Weiterleben mit einem Mal wieder erträglicher machen, zum Beispiel Sophie Matters Ausschreibung des 1000 du Sud.
Kommt man dann nach langer Fahrt am Vortag des Starts des anvisierten 1000-Kilometer-Brevets in Carcès an - einem Ort irgendwo zwischen Aix-en-Provence und Draguignon - stellt man fest, dass es wirklich keinen Kapuzenpulli braucht. Über dem Städtchen liegt ein Schimmer, wie ihn nur der Spätsommer hervorzaubern kann und in der Mittagshitze gerät die Banalität der krisengeschüttelten Welt in Vergessenheit. Selbst die Tatsache, dass wenige Tage zuvor eine Explosion in einer Atomanlage unweit von hier ein Menschenleben forderte, kann alles morbide Gedankengut nicht wiederbeleben. Zu zweit sind wir aus Freiburg für diese Tour rund um die Provence angereist, aber wie zufällig trifft sich zur Mittagszeit eine kleine Auswahl von Genießern innerhalb der deutschen Randonneursszene im Café im Ortskern. Pläne werden geschmiedet für die nächsten Tage: gemütlich rollen, die Saison ausklingen lassen, kein Stress, keine Hektik, genug schlafen, essen und vor allem trinken. Ein brillantes Konzept. Wir setzen es mit sofortiger Wirkung um.
Gemütlich rollen... was so einfach klingt, stellt sich, als ich am Donnerstagmorgen um sieben gemeinsam mit weiteren dreißig Leuten in die Provence hineinkurble, als schwieriges Unternehmen heraus. Eine freudige Ungeduld, in diesen neuen Sommermorgen, in diese traumhaften Landschaften einzutauchen, treibt mich und uns alle voran. Eine Unbeschwertheit, die keine Grenzen kennt - die pittoresken Ortschaften rauschen vorbei. In einer Gruppe von fünf Deutschen brettern wir nach Forcalquier, dem ersten Stopp auf unserer Route. Es wird Zeit, die Regeln genauer zu definieren, die uns Entspannung und Sinnenfreude garantieren sollen. Man macht seine Anliegen publik: Alkohol vor zwölf? Nö. Ok, muss ja nicht sein. Eine Pinkelpause nach der Kontrolle außerhalb der Ortschaft? - Wer pinkeln muss, schwitzt nicht genug. Oder: Hochsaugen und ausspucken! Damit wäre der Rahmen abgesteckt. Auch ein Erholungsurlaub verlangt eine gewisse Disziplin.
Als wir zur Mittagszeit die Gorges de la Nesque erreichen, ist unsere Gruppe bereits dezimiert. Die Disziplinierteren unter uns haben sich zu meinem Bedauern abgesetzt, obwohl auch wir drei Verbleibenden noch keinen Tropfen Alkohol angerührt und bestenfalls kurze Pinkelpausen eingelegt haben. Erst am frühen Nachmittag, in Bédoin am Fuß des Mont Ventoux, genehmigt sich der eine oder andere ein schmächtiges Glas Rosé oder Pastis, um den Rausch, der mit dem Anblick der Gorges de la Nesque seinen Anfang genommen hat, nicht abreißen zu lassen. Die Mittagshitze tut ein Übriges. Es wirkt.
Der Weg zum Rhône wird allenfalls unterbrochen durch kurze Pausen an Brunnen. Nur einmal siegt der Genuss über den Vortrieb, als wir an einem Weinfeld von den Rädern springen. Ein Weinbauer verköstigt uns mit seiner noch unvergorenen Ware, einer Mourvèdre-Traube, die hier im Anbaugebiet des Côte du Rhône Villages einen nicht unerheblichen Teil der Anbaufläche ausmacht. Es ist die letzte Ernte in seinem sicherlich arbeitsreichen Leben. Im nächsten Jahr, sagt er, gehe er in Rente.
Wir hingegen - Urlauber -, setzen unsere Wellnesstour fort, kreuzen den Rhône, queren Pont-St. Esprit und steigen endlich in St. Martin d'Ardèche wieder von unseren Rädern. Die dritte von elf Kontrollen ist erreicht, das erste Viertel liegt hinter uns. Ein herrliches Gefühl, auch weil noch drei Viertel vor uns liegen. Es ist unmöglich, sich an den provençalischen Landschaften sattzusehen.
Das nächste Highlight steht an: die Gorges de l'Ardèche. In der Nachsaison ist sie gegen Abend nur noch wenig frequentiert. Es ist ein stetes Auf und Ab, aber die Ausblicke in die Tiefe sind phantastisch. Angesichts der Magie des Ortes greift kein Schmerz, keine Erschöpfung. Genau so war es ja schließlich auch geplant.
Ein Halt in Ruoms bei Kilometer 306 zum Pizzaessen. Man gönnt sich ein schmächtiges Glas Bier, für Ausschweifungen ist es noch zu früh. Noch fehlen knapp 100 Kilometer, um das Wohlfühlprogramm des heutigen Tages abzurunden.
Ein Halt in Aubenas bei Kilometer 328 für einen schnellen Kaffee und einen Stempel in die Brevetkarte. Das junge Publikum auf der Terrasse beäugt uns argwöhnisch und amüsiert. Die Versuchung ist groß, hier die Beine hochzulegen und sich als Held feiern lassen. Wir bleiben hart. Als ich eine junge Frau nach dem Weg nach Privas frage, ernte ich vorwitziges Staunen. Ob wir heute Nacht noch nach Privas fahren wollten? Ça monte... Sie hat recht: die Steigung dorthin ist nicht von schlechten Eltern, aber die Aussicht auf ein Nickerchen auf der Ostseite des Rhônes hält die Moral hoch und hinter Privas sind die Höhenmeter überschaubar. Wir stürmen ins Tal der Drôme, Mitternacht ist längst vorbei. In Crest, bei Kilometer 400, wartet der Mann mit dem Hammer auf den ersten von uns. Kein Problem: ausgemacht war, genug zu schlafen. In Aouste, dem Nachbarort, legen wir uns vor das Kirchenportal für ein Schläfchen auf dem harten Steinboden. Ich krieche in meinen Biwaksack samt Fleecedecke und schließe die Augen. Unser Dreiergespann ist schon seit Mittag um einen Engländer angewachsen, der in seiner dünnen Jacke neben mir kauert und der nächtlichen Kälte außer seiner mentalen Stärke nichts entgegenzusetzen hat. Da sind die Jungen in ihren Kapuzenpullis eindeutig besser dran.
Aouste-sur-Sye, 16. September 2011, 5 Uhr
Zweieinhalb Stunden entsprechen nicht ganz dem Anspruch eines gängigen Erholungsurlaubs, aber noch wartet so viel Neues auf uns, dass man es kaum übers Herz brächte, länger zu schlafen. Die Kälte ließe es ohnehin nicht zu.
Also werden Knochen und Muskeln wieder warmgeschüttelt und weiter geht die Fahrt. Bis Saillans, der nächsten Kontrolle fehlt uns nur ein gutes Dutzend Kilometer, das wir noch bei Dunkelheit abspulen. Den Stempel erhalten wir in einer Bäckerei, wo der Lehrjunge noch nicht allzu lange mit seiner Arbeit begonnen hat. Frisches Brot bekommen wir allerdings nicht - zu früh.
Wir bekommen im Gegenzug herrliche Ausblicke auf die Berge des Diois, die zumindest die Seele nähren. Ansonsten hat jeder noch irgendein essbares Hinterbleibsel in seinem Gepäck - zu hohe Ansprüche können im Übrigen jeden Urlaub verderben. St. Nazaire, Volvent, la Motte-Chalancon, Remuzat: wie an einer Schnur reihen sich die Perlen der Provence aneinander. Wir haben die harmlosere Hälfte der Tour hinter uns, als wir uns nach den ersten beiden Pässen, dem Col de Palluel und dem Col de la Saulce, in Serres Mittagsruhe verordnen: vielleicht 5000 von insgesamt 13000 Höhenmetern sind bewältigt. Es bleibt bei ein, zwei schmächtigen Gläsern Rosé - wir wollen's ja nicht jetzt schon übertreiben. Wir treffen im Ort auf zwei andere Fahrer, die beide im Begriff sind, die Segel zu streichen. Ihr Körper streikt.
Hinter dem Ort findet sich ein schattiger Rastplatz, um den vollen Bauch für ein halbes Stündchen zur Ruhe zu betten. Mit dem, was für den Rest des Tages noch ansteht, würde nicht zu spaßen sein, wir lassen es also lieber mal langsam angehen, ehe wir uns, wieder nordwärts, den Hochalpen zuwenden.
Der Col du Festre ist ein Pass, der sich auch nach 500 Kilometern in den Beinen mit angepasster Geschwindigkeit gut bewältigen lässt - an keiner Stelle zu steil und mit seinen 1441 Metern Höhe überschaubar. Vor allem aber ist er höchst beeindruckend mit der weißen Bergflanke des Aurouze-Massivs zu unserer Rechten, die uns ein langes Stück begleitet. Bei soviel Landschaftsgenuss ist ein schmächtiges Glas Bier in der Höhenluft Lohn genug.
Mens, die achte Kontrolle, erreichen wir nach einem unfassbar glimpflich verlaufenen Sturz in der Abfahrt infolge eines Reifendurchschlags. Zudem kommt noch ein weiteres Missgeschick: beim Wechsel des Streckenplans fliegt meine Brevetkarte in hohem Bogen über eine Mauerbrüstung in die Tiefe. Wäre sie nur wenig weiter gesegelt, hätte sie für alle Zeit der Abgrund verschluckt. So aber bleiben nach einer mittelprächtigen Kletterpartie meine Chancen auf ein Finish gewahrt.
Es bleibt der Col d'Ornon. Wir müssen feststellen, dass die Zeit viel schneller verstreicht als geplant. Hatten wir damit gerechnet, uns irgendwann zwischen acht und neun Uhr abends in Bourg-d'Oisans zu Tisch begeben zu können, werden wir bei der rund fünfzehn Kilometer langen Auffahrt zum Col eines Besseren belehrt. Die Minuten zerrinnen, während die Kilometerzahl auf dem Tacho stagniert. In Bourg-d'Oisans ist das Nachtleben bereits schwer am Abklingen, als wir in die Fußgängerzone einrollen.
Um 23 Uhr noch etwas zu Essen zu bekommen, ist die Sorge schlechthin, die uns bei der Einfahrt in diese Hochburg der Radfahrer umtreibt. Ohne Essen würde der nun folgende Col du Lautaret für uns bis zur Öffnung der ersten Bäckerei im Ort nicht mehr befahrbar sein, was unsere gesamte Urlaubsplanung durcheinanderbringen würde. Den Radtouristen ist das Glück jedoch hold: es findet sich ein kleines Restaurant in der Ortsmitte, das speziell den späten Gästen noch Essen serviert. Der Chef fordert uns überdies auf, unsere Räder in der Kneipe einzustellen. Wir hängen eher am Tisch, als dass wir sitzen, was nicht am Alkoholkonsum liegt: entgegen allen Abmachungen bleiben wir abstinent. Tatsächlich wird unser Denken und Handeln von einer schleichenden Müdigkeit unterwandert, die am Ende der Mahlzeit ihren Ausdruck darin findet, dass vier leblose Körper an oder auf den Tischen der angrenzenden Terrasse abhängen - mit ausdrücklicher Erlaubnis des Chefs selbstverständlich. Das Ganze endet damit, dass der Bedächtigste von uns vieren von plötzlicher Übelkeit geplagt wird und die eben noch wohlfeile Pasta der Straße übergibt - womit auch das Signal zum Aufbruch gegeben wäre.
In meiner bescheidenen Radsportkarriere konnte ich bislang noch nie den Anspruch erheben, spät nachts auf einen Alpenpass gefahren zu sein. Dass dies ausgerechnet bei einer Genusstour geschehen soll, mag unangemessen erscheinen. Aber: man möge die entspannenden Momente daran bitte nicht verachten. Es geht damit los, dass unser magenkranker Mitstreiter gleich am Fuß des Lautaret ausschert, um zu schlafen, womit bei mir alle Hemmungen beseitigt sind, es ihm ein paar Radumdrehungen später an einer zu dieser Stunde brachliegenden Imbissbude am Wegesrand gleichzutun, eingehüllt in meine Fleecedecke, in der ich herrliche dreißig Minuten Schlaf verbringen würde, wäre da nicht die Unterbrechung durch ein sinnloses Bimmeln meines Handys. Technisches Versagen eben. Ringsum stehen mir die nachtschwarzen Felswände beschützend zur Seite, als ich mich alleine wieder auf meinen Weg hoch zur 2000-Meter-Marke begebe. Kein Verkehr, absolute Stille. Totenstille.
In La Grave, wohl zehn Kilometer unterhalb der Passhöhe, treffe ich auf meine beiden verbliebenen Kollegen, untergebracht in einer bescheidenen aber ausreichend gemütlichen hölzernen Schutzhütte. Ich lege mich dazu: noch weitere dreißig Minuten Schlaf auf meiner wärmenden Decke. Ein Traum. Dann der Endspurt zum Gipfel. Unser magenkranker Geselle hat sich zwischenzeitlich erholt und fährt zu uns auf, kaum dass wir die Zeit haben, beim Passschild die letzten Reste an Kleidungsstücken überzuziehen. Um sechs Uhr morgens ist unser Team wieder komplett und in bester Verfassung. Das Dach der Tour ist erreicht. Von jetzt an geht es bergab.
Briançon, 17. September 2011, 7 Uhr
Briançon ist nach achtundzwanzig Kilometern nächtlicher Abfahrt vom Col du Lautaret nicht nur kalt, sondern eiskalt. Die Bedienung in der ersten Bäckerei auf der Strecke steht dem in nichts nach. Mit einem allein ihrer unglaublichen Böswilligkeit zuzuschreibenden Elan schüttet sie mir auf meine Bitte um Milchkaffee eine satte Ladung Milchpulver in meinen bis dahin schwarzen Kaffee. Ich bin erschüttert. Nichts wie weg von hier.
50 Kilometer später, in Embrun, wagt es die Hälfte unseres Quartetts, sich auf der Treppe eines Restaurants zur Rast niederzulassen. Die Bedienung jagt sie zum Teufel. Das Randonneursdasein hat auch seine Schattenseiten. Die Landschaft um den Lac Serre-Ponçon jedoch ist phantastisch und macht alle menschlichen Schwächen der Anwohner um ein Vielfaches wett.
Die nächste ernsthafte Pause erfolgt spontan auf irgendeinem der unzähligen Bergrücken. Eine Gaststätte in der Mittagssonne fordert unvermittelt dazu auf, uns wieder auf unsere eigentliche Strategie zu besinnen: entspannen und genießen. Ich erlaube mir ein schmächtiges Glas Rosé, danach bin ich so müde, dass ich mir ein Weiterleben nur noch in der Horizontalen vorstellen kann. Meine Freunde sehen das anders. Eher werden sie mich Schlangenlinien fahrend in den Tod schicken, als hier oben eine weitere Schlafpause einzulegen. Ich resigniere, zumal nun ein kurzer Regenschauer einsetzt. Werde ich mich also Schlangenlinien fahrend in der nächsten Abfahrt zu Tode stürzen. Bitte - sie wollen es so.
Ungeahnte Mächte halten mich in der Senkrechten, noch den halben Nachmittag lang. Längst fühle ich mich als Komapatient, der auf die Intensivstation gehört. Doch das Leben um mich herum geht weiter, und irgendwann will es das Schicksal, dass eine Flussniederung an uns vorüberzieht, die in ihrer Gefälligkeit selbst die Hartgesottenen unter uns zur Ruhe einlädt. Ich schöpfe Hoffnung fürs Weiterleben und falle in einen traumlosen Tiefschlaf.
In Digne-les-Bains schütte ich eine Flasche Cola in meinen Schlund. In St.-André-les-Alpes verweigere ich jede Form von Alkohol zum Abendessen. In Castellane spüre ich immerhin, dass ich noch am Leben bin. Aber es geht mehr und mehr dem Ende zu. Längst ist die dritte Nacht angebrochen. Im Scheinwerferlicht erheben sich die Mittelstreifen der Straße und verwandeln sich zu Personen aus meiner Vergangenheit, mit denen ich mich unterhalte. Als ich den Schwindel bemerke, schlage ich wie mit einer Art mentaler Fliegenklatsche auf sie ein, bis sie verschwinden. Das funktioniert ein paar Sekunden lang, und schon erhebt sich der nächste Mittelstreifen und verwickelt mich in ein Zwiegespräch. Ich bin machtlos, schlage mit meiner Fliegenklatsche wie wild um mich, aber immer wieder kommen neue Mittelstreifen, die mich in neue Gespräche verwickeln. Dabei wäre es dringend notwendig, mein Rad auf Kurs zu halten. Es müssen meine Konversationspartner sein, die für mich das Steuern übernehmen, sonst wäre ich längst auf eine der ungezählten Leitplanken geprallt. Irgendwann bin ich psychisch total am Ende und bitte meine Begleiter anzuhalten. Ich muss schlafen. Dringend. Aber rings um uns her ist Kälte, Nässe und Reste von Hagelschauern, die vor unserer Durchfahrt hier niedergingen. Man bietet mir eine Koffeintablette an. Ich nehme an. Ich will nur raus aus dieser Gespensterwelt, die mich um meinen Verstand bringt. Das Koffein wirkt sofort, wir können weiterfahren.
In irgendeiner dieser malerischen provençalischen Ortschaften lege ich mich vor der Postfiliale endgültig zum Sterben hin. Auch unser Engländer ist so gut wie tot.Die anderen beiden vergnügen sich zwischenzeitlich mit der angestammten Dorfjugend beim Pastis in der nahegelegenen Kneipe. Für zehn Minuten schließe ich die Augen, dann habe ich alle Nahtoderlebnisse hinter mir. Für die Feier meiner Rückkehr in dieses herrlich ungestüme Leben, von dem nur Randonneure wissen können, geselle ich mich zu den jungen Leuten. Ich pfeife auf alle Gepflogenheiten und guten Vorsätze und bestelle Kaffee. Es gibt Momente im Leben, da darf man schwächeln. Die Dorfjugend glaubt unseren Engländer tatsächlich tot und schlägt Alarm. Doch irgendwann schüttelt er sich wieder und wir besteigen erneut unsere Räder.
Uns bleiben wohl fünfzig Kilometer durch Gegenden, die selbst in tiefer Nacht mehr Charme versprühen als andere Landstriche bei schönstem Sonnenlicht. Und zwischen Nacht und Tag, um drei Uhr in der Früh, rollen wir wieder in Carcès ein, wo wir von Sophie Matter, der Organisatorin dieses einzigartigen Brevets, begrüßt werden wie Helden. Vielleicht sind wir es ja, trotz all unserer gegenläufigen Bemühungen. An der Strategie zur Genussoptimierung jedoch wäre noch zu feilen - eine Herausforderung fürs nächste Jahr. Bis dahin müssen wir durchhalten.
Strecke: |
1013 km |
Höhendifferenz: |
11 520 m |
Fahrzeit: |
45:14 h |
Schnitt: |
22,4 km/h |
Gesamtzeit: |
67:45 h |
Schnitt (brutto): |
15,0 km/h |
Ein Video von Jörg Kurzke auf youtube