Montag, 17. März 2008
Hatten wir gestern noch daran gedacht, unseren Beinen für heute eine satte Tour aufzugeben, so schmilzt dieses Projekt angesichts des grauen Himmels beim Aufstehen wie Schnee im Regen. Wir werden den Ball heute flach halten. Zunächst also rein in den Ort. Inmitten des typisch provençalischen Markttreibens trinken wir Kaffee, um nach einer wärmenden halben Stunde über Flassan und Villes-sur-Auzon zur Gorges de la Nesque weiterzuziehen. Die Gorges de la Nesque sind ein Muss für jeden Radfahrer, der von dieser Gegend mehr als den Mont Ventoux sehen möchte. Die Straße verläuft oberhalb einer spektakulären Schlucht, die die Nesque im Laufe der Jahrtausende gegraben hat. In schöner Regelmäßkeit geht es bergan, von daher ist die Befahrung Schlucht die ideale Tätigkeit bei grauem Spätwinterwetter.
Wir erreichen Sault erst, als sämtliche Ladenbesitzer bereits am Mittagstisch sitzen, angesichts meiner schwindenden Energiereserven sicherlich etwas bedenklich, mindestens genauso bedenklich ist allerdings der Umstand, dass sich in nördlicher Richtung dickes Gewölk aufstaut. Die Rettung, so dünkt uns, finden wir im Süden und kurz entschlossen lenken wir unsere Räder auf die D 245, die uns auf die einsame aber sonnenbeschienene Hochebene der Vaucluse führt. Versorgungstechnisch eine Katastrophe, aber nach dem gestrigen Tag schreckt mich auch der Hungertod nicht mehr.
Die Hochebene wäre ein Paradies für jeden Eremiten, gäbe es nicht diese merkwürdig breite Straße quer durch die Ödnis, die entweder mit der Müllverarbeitungsanlage von St. Christol zu tun hat oder der Tatsache geschuldet ist, dass sich auf dem benachbarten Plateau d'Albion ein bedeutendes militärisches Sperrgebiet befindet. Vielleicht werden hier Panzermannschaftszeitfahren ausgetragen. Kurz nach dem Abzweig nach St. Christol wird die Rennpiste wieder zu einem beschaulichen Provinzsträßchen, das uns in engen, bremsintensiven Windungen auf die Nordseite des Lubéron bringt. Alles sehr schön anzusehen, auch mit einem Loch im Bauch.
In St.-Saturnin-lès-Apt sehen wir auf einer sonnigen Caféterrasse beim Rosé dem Ende der mittäglichen Ruhezeit entgegen. Die Bäckersfrau hat ihre Siesta überzogen und öffnet das Geschäft eine gute Viertelstunde später. Wir tragen es mit Fassung, der Rosé verleiht Beharrlichkeit und Sonne macht einen herrlich gleichmütig. Zudem werden wir fürs Warten mit einem köstlichen Olivenbrot entschädigt.
Dermaßen ausgestattet mit Beharrlichkeit und Gleichmut und weil's so schön war, fahren wir gleich wieder zurück auf die Hochebene der Vaucluse, dieses Mal weiter westlich über die D 230, die steil ansteigt bis auf 693 Meter, aber an Schönheit kaum zu überbieten ist. Kaum ein Auto kreuzt unseren Weg. Allein für den Ausblick auf den schneebedeckten Mont Ventoux rechnen sich die Ausgaben für die Fahrkarte in den Süden. In einer wildromantischen Abfahrt nähern wir uns wieder Monieux und damit dem Gegenanstieg hoch zur Gorges de la Nesque. Nun, im Abendlicht, wirkt sie wie verzaubert. Ein Juwel. Zum ersten Mal seit drei Tagen genieße ich den Gegenwind, der die Abfahrt in die Länge zieht.
Wir haben es nicht eilig. Allein den Ladenschluss wollen wir nicht noch einmal versäumen, und so legen wir in Villes-sur-Auzon noch vorsichtshalber einen Stopp ein, um die Vorräte für heute abend und fürs morgige Frühstück auf den notwendigen Stand zu bringen. Als wir im Scheinwerferlicht in Bédoin einrollen, senkt sich ein friedlicher Abend über die Provence. Heute Abend überlassen wir das Feld der Konkurrenz und trinken unseren Wein im Zelt, während in den sanitären Anlagen unsere frisch gewaschenen Trikots und Hosen den verzweifelten Versuch unternehmen, über Nacht zu trocknen.
Strecke: |
139 km |
Zeit: |
6:48 h |
Schnitt: |
20,4 km/h |
Höhendifferenz: |
2251 m |