Prad - St. Margrethen

Mittwoch, 27. August 2008     


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mein ZeltZum Campingplatz gehört eine kleine Gaststätte und ich hatte mich bereits am Vorabend fürs Frühstück angemeldet. Halb acht hatte ich prognostiziert, aber es ist bereits nach acht, als ich an meinem Cappuccino nippe. Die Uhrzeit ist mir aber recht gleichgültig, da heute lediglich der Ofenpass und der Flüelapass auf meinem Programm stehen. Zeit genug also. Ich zögere die Abfahrt etwas hinaus, um mein Zelt noch anständig trocken zu bekommen. Über dem Stilfser Joch hängen noch ein paar Quellwolken, ansonsten ist der Himmel makellos. Ein weiterer Sommertag in den Alpen nimmt seinen Lauf. Auffahrt zum Ofenpass

Hinauf nach Santa Maria ist es ein gemütliches Einrollen. Auf den Feldern ringsum sind Bauern mit der wohl letzten Heuernte des Jahres beschäftigt. Hier und dort stehen Traktoren auf den Feldern, aber viel geschieht hier auch noch von Hand. Das Tal strahlt eine sonnige Ruhe aus. Nach meinem gestrigen Erlebnis bin ich froh, heute in der Schweiz unterwegs zu sein. Die Verkehrsteilnehmer hier sind merklich zivilisierter. Das Verkehrsgeschehen in Italien unterliegt meiner Meinung nach weniger rationalen Abwägungen als vielmehr einer hormonellen Steuerung: die Potenz der Motoren als Symbol der eigenen Potenz.

Pass dal FuornGenug der Kritik. Die Auffahrt zur Passhöhe schließt ab mit einem Sortiment von ordentlichen Serpentinen. Hier fahre ich zu drei Mailändern auf, die dem italienischen Klischee gar nicht entsprechen wollen: schlichte Rennräder, keine auffallendes Styling in der Klamotte. Sie sind einfach nur nett, und als wir alle oben sind, machen wir gegenseitig Gipfelfotos. Die drei gehen einen Espresso trinken, ich verabschiede mich in Richtung Zernez. Der Weg dorthin wird durch einen unerwarteten Gegenanstieg bei Ova erschwert. In Zernez versuche ich es mit einem Radweg nach Susch, breche den Versuch aber nach ein paar Kilometern ab, weil ich mein Rad auf dem unbefestigten Untergrund nicht über Gebühr strapazieren möchte. Val SusascaDer Flüelapass, Höhepunkt des heutigen Tages, knapp 1000 Meter Höhendifferenz. Kurz nach dem Einstieg wird im Flussbett Kies abgebaut, dann gewinnt die Ruhe die Oberhand. Das Verkehrsaufkommen ist bescheiden. Bald überholt mich ein jüngerer Bianchi-Fahrer, aber sein Atem rasselt und ich ahne, dass er sein Tempo nicht durchstehen wird. Er hätte sich damit begnügen können, an mir dran zu bleiben - ich habe ja nun wirklich nichts gegen nette Gesellschaft. Aber so sitze ich ihm dezent im Nacken, bis er entnervt einen Riegel aus der Trikottasche angelt und vom Rad steigt. Landschaftlich gesehen ist der Flüela ein Juwel und ich kann mich kaum daran satt sehen. Zwei Gletscherseen befinden sich auf der Passhöhe auf 2383 Meter. Ich besorge mir am Kiosk Getränk und Kuchen und setze mich auf die Steine am Ufer. Hier bin ich nun also, mehr wollte ich nicht. Glücklich? Zufrieden würde ich sagen: mit meinen Beinen, mit meinem Kopf. Sie haben wieder einmal gut mitgespielt bei dieser erneuten Inszenierung eines Ausbruchs aus einem Alltag, den ich genauso wenig missen möchte wie meine Fluchten. Aber vielleicht gerade deswegen, weil ich mich nicht scheue, diese Fluchten immer wieder zu erzwingen. Zwei Seiten, die erst als Ganzes Sinn machen.

Flüela, PasshöheDer Bianchi-Fahrer ist grußlos an mir vorbeigefahren, ein französisches Ehepaar aus Paris, mit seinem Geländewagen auf dem Rückweg von Kroatien, hat den Ort verlassen. Ich folge ihnen. Die Abfahrt nach Davos ist ein Genuss.

In Davos und Klosters halte ich mich gar nicht lange auf. Kurz bin ich versucht, am Bahnhof von Klosters die Fahrpläne zu studieren - meine Mission ist im Grunde genommen beendet, aber noch befinde ich mich auf 1100 Metern Höhe, und diese Höhenmeter will ich auskosten. Aus Klosters herauszukommen, bereitet mir etwas Mühe; erneut lande ich auf einer Rüttelpiste. Aber wieder zurück auf der Bundesstraße wird die Fahrt ins Rheintal trotz Gegenwind zum Vergnügen. Die Schweizer Radwegweisung ist über weite Strecken vorbildlich. Weder Bad Ragatz noch Sarganz können mich zum Bleiben verlocken. im RheintalIch habe Fahrt aufgenommen, und nun ist der Bodensee fast schon wieder in Reichweite. In Sarganz fülle ich meine Vorräte auf, ein paar Kilometer außerhalb bekomme ich trotz Geschäftsschluss in einer Bäckerei noch ein paar Brötchen. Dann biege ich auf den Rheinradweg ab und fahre, fahre, fahre. Ich hätte gegen sieben Uhr in Buchs anhalten können, es war mir zu früh. Der nächste Zeltplatz ist in St. Margrethen, knapp vierzig Kilometer entfernt. Es ist windstill und ich fliege über den Asphalt. Dreiunddreißig, vierunddreißig Stundenkilometer zeigt mein Tacho, vorbei an Liechtenstein, vorbei an Feldkirch. Die Dunkelheit nimmt zu, aber ich lasse mich nicht beirren, knipse meine Lichter an. Um Viertel vor neun erreiche ich St. Margrethen, es ist Nacht und ich übersehe den Campingplatz, der direkt am Radweg liegt, suche den Weg in die Stadt, frage nach dem Campingplatz, fahre zurück zum Radweg. Dann endlich kann ich Tempo rausnehmen: irgendwo am Rande der Wohnwagenburgen findet sich ein Plätzchen für mich, wo ich im Licht meiner Stirnlampe mein Zelt aufstellen kann. Lärm von der nahegelegenen Autobahn und Stechmücken heißen mich willkommen. So habe ich mir das nicht vorgestellt.

 

Strecke:

208 km

Zeit:

9:15 h

Schnitt:

22,4 km/h

Höhendifferenz:

2561 m

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