Prolog

Bestimmt hundertmal habe ich in Gedanken die wenigen Klamotten, die ich auf diesem Non-Stop-Trip quer durch die britische Insel mitzunehmen gedenke, hin- und hergeschichtet. Kurze Hose? Dreiviertelshose? Ein, zwei oder drei Unterhemden? Langarm? Kurzarm? Das Wetter ist die große Unbekannte bei diesem Unternehmen...

Das Wetter? Die 1400 Kilometer sind die große Unbekannte! Nicht einen einzigen davon kenne ich, bin lediglich die 60 Kilometer vom Flughafen Stansted zum Lee Valley Park im Norden Londons gefahren, durch den brandgefährlichen Feierabendverkehr, als Novize im Linksverkehr. 1400 Kilometer sprengen eindeutig mein Vorstellungsvermögen; da beschäftigt man sich besser mit dem bisschen Gepäck, was man in die Ortlieb-Satteltasche und den Lenkerbeutel stopft, um drei oder vier Tage wenigstens klamottentechnisch durchzuhalten.

Am Donnerstag Abend gegen acht Uhr treffe ich Urban Hilpert und Istvan Fingerhut auf dem Campingplatz im Lee Valley. Beide sind aus Deutschland mit dem Rad angereist. Wir kochen zusammen, reden, trinken eine Flasche französischen Wein (lecker), und essen englische Spaghetti, die nach Essig und Zucker schmecken (na ja...). Es ist leicht bewölkt und warm hier im Norden Londons. Am Nachmittag war der Himmel über dem Ärmelkanal wolkenlos, über London dann eine geschlossene Wolkendecke. Für die nächsten Tage ist Regen angekündigt und Nachttemperaturen bis fünf Grad.

LEL 2005Am nächsten Morgen, einem Freitag, Einschreibformalitäten in der Jugendherberge in Cheshunt, wo ich Axel Wellpott, Ex-Freiburger, der nun schon ein Jahr in Edinburgh lebt, wiedertreffe. Ein halbes Jahr lang haben wir lediglich E-Mails ausgetauscht, mit dem Ergebnis, dass wir uns nun beide hier am Startort der fünften Austragung von LEL befinden. Durch unsere gemeinsame Anmeldung sind wir für die gleiche Startgruppe eingeteilt. Der Tag in der Jugendherberge vergeht mit letzten Vorbereitungen, ruhig und irgendwie besinnlich. Die Stimmung bei der abendlichen Nudelparty ist heiter, aber – verständlicherweise – nicht ausgelassen. Wir legen uns zeitig in die Kojen, jede Stunde Schlaf in dieser Nacht ist Gold wert.

Als am Samstag um sechs Uhr früh der Wecker piept, ist sie zum ersten Mal da, diese Gewissheit: nun gibt es kein Zurück mehr. Ein Gefühl, so schwer wie Blei. Ein grauer Morgenhimmel liegt über dem Komplex der Jugendherberge. Das Frühstück will nicht so recht schmecken, obwohl es am Willen, für eine gute Grundlage zu sorgen, nicht fehlt. Zwei Bananen werden im Lenkerbeutel verstaut, dann staksen wir zu unseren Rädern, vertäuen die Taschen, ein letzter Blick auf Schaltung, Bremsen, Kette, Reifen, los geht’s. London-Edinburgh-London kann beginnen.

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