Nun gut. Mein Computer ist inzwischen alt genug, um selbst an trüben Novembertagen mal alleine zurechtzukommen, und mit der Sonne wird es heute eh nichts mehr. Die idealen Bedingungen also, um mir die Joggingschuhe überzustreifen und mit lockeren Schritten in die Abenddämmerung hinauszueilen. Ohne mich zu hetzen, mit dem Vorsatz, zu genießen.
Ich trabe Richtung Osten, zunächst die kleine Landstraße vor. Ein Radfahrer überholt mich, prescht in Rennhaltung und hoher Trittfrequenz an mir vorbei. Soll er doch Rad fahren. Ich persönlich laufe heute. Es gibt auch Menschen, die fahren Ski.
Fünf Minuten später biege ich rechts ab, überquere den Bach, bewege mich den Waldrand entlang. Die Laubschicht auf dem Weg dämpft meinen Schritt. Locker lächelnd sehe ich darüber hinweg, dass nichts voran geht. Man braucht Geduld am Anfang der Laufsaison.
Nach zwei Kilometern befinde ich mich wieder auf Asphalt, leicht ansteigend. Rhythmische Phrasen rotieren in meinem Kopf: Zahlenkombinationen, Städtenamen, Peinlichkeiten aller Art. Ich gebe mich dem Rhythmus hin. Mit zunehmender Anstrengung jedoch geht mir der abgehackte Singsang auf den Geist auf den Geist auf den Geist. Ich versuche, einen Punkt in der Umgebung zu fixieren oder das vorherrschende Endlosband mit einem neuen, besseren Text zu besprechen: aber alles Sinnhafte zerfließt schleichend in einem monotonen Wortbrei. Hauptsache sinnlos. Als hätte ich ein Radio im Kopf - werbefrei, immerhin.
Spätestens am östlichen Wendepunkt, wo der weite Abendhimmel voll regenschwangeren Gewölks in meinen Blick rückt, wird mir diese Beschallung unerträglich. Die Ruhe der Landschaft ist empfindlich gestört.
Die Katharsis dauert eine Stunde lang. Dann bin ich wieder zuhause und habe allen Grund aufzuatmen. Das Programm ist zuende.
Warum ich überhaut laufe? Wenn ich erst herausgefunden habe, wo der verdammte Knopf ist für dieses Radio, werde ich auch das noch herausfinden.
November 2003