Montag, 24. August 2020
| Strecke |
Das Bäckereisterben in Frankreich macht mir an diesem Morgen zu schaffen – während man mancherorts schon am Geruch die Lage der Bäckerei orten kann, fahre ich hier orientierungslos die Hauptstraße des Ortes auf und ab, ohne Erfolg. So muss ich mir bis zur Öffnungszeit des Supermarktes die Zeit mit Packen vertreiben, ehe ich dort, als erster Kunde, mein erforderliches Pensum an Croissants aufs Kassenband legen kann. Das Frühstück am Zeltplatz im Schein der Morgensonne lasse ich mir gleichwohl schmecken.
Für das verbleibende Stück nach Genf habe ich die Strecke gestern Abend noch etwas entschärft, um nicht in Zeitnot zu geraten. Die Route wird über Nebenstraßen nach Annecy führen, von dort aus weiter nach Genf – insgesamt 90 Kilometer. Der Zug geht gegen 17 Uhr.
Tatsächlich kann ich mich auf weitgehend ruhigen Strecken treiben lassen. Zwar ist es ein welliges Terrain, doch die Kilometer summieren sich wesentlich schneller als in den vergangenen Tagen. Auch ist die Zufahrtsstraße nach Annecy gesperrt für den Verkehr, was mir eine zusätzliche Annehmlichkeit verschafft. Die Stadt selbst lasse ich zügig hinter mir, um im folgenden Anstieg nochmals einen ausschweifenden Blick auf die Bergwelt in meinem Rücken zu werfen, die über dem Lac d‘Annecy aufragt. Ob es der letzte Ausblick sein wird, weiß ich nicht, aber lieber zu früh als zu spät… Und fast schon schwingt etwas Wehmut mit.
Ich bin sehr zufrieden mit der gewählten Route nach Genf. Abwechslungsreich und verkehrsarm verläuft sie durch kleine Siedlungen und an Gehöften vorbei und bietet doch die nötige Infrastruktur, um mich zu versorgen. Mir bleibt nach dem Essen die Zeit für ein kurzes Mittagschläfchen auf einer Wiese, bis mich ein Bauer mit seinem lärmenden Mähwerk aus meinen Träumen reißt. Es ist Zeit, den letzten Abschnitt in Angriff zu nehmen, der auf einem ausgeschilderten Radweg verläuft.
Genf erreichte ich, ohne dass ich die Ohren flach legen muss, und so schließt sich der Kreis. Genau wie vor vier Tagen sind die Uferpromenaden voll, der Jet d‘Eau schießt seine Fontäne hoch in die Luft, im Wasser des Lac Lémon spiegelt sich der tiefblaue Himmel im leichten Wellenschlag. Hin und wieder verirren sich glitzernde Sonnenstrahlen zwischen den Booten und blinken kurz zu mir herüber wie Morsezeichen. Wahrscheinlich steckt eine geheime Botschaft dahinter, vom Glück, das in den einfachen Dingen liegt oder etwas dieser Art. Aber das weiß heutzutage ja jeder.